Von Zwiebeltretern und Barock…
Rund 74 Jahre hat es gedauert, bis mit der „Sterzermühle“ eine letzte Kriegslücke im Herzen der Stadt geschlossen werden konnte, was viel mehr ist als „nur“ ein Lückenschluss.
Seit dem 30. April vermittelt das neue Welterbe-Besucherzentrum an den Unteren Mühlen fortan Besuchern wie Einheimischen auf unterhaltsame, spielerische und informative Art, warum die Altstadt von Bamberg ein Erbe der gesamten Menschheit ist und was dies überhaupt bedeutet. In das neue Gebäude integriert ist die Front der ehemaligen Mühle, in welchem Besucher im Erdgeschoss eine Gaststätte mit Terrasse inmitten der rauschenden Regnitz vorfinden, wogegen sich im Obergeschoss die Ausstellung des Besucherzentrums befindet, ebenso wie ein Shop des Bamberger Stiftsladens .
Seit 1993 ist die Altstadt von Bamberg ein Bestandteil des UNESCO Welterbes der Menschheit. Die Auszeichnung UNESCO-Welterbe ist ein ausgesprochen begehrtes Prädikat, das in der Kategorie „Kultur“ in Bayern erst siebenmal verliehen wurde. Die hohe Anerkennung „Weltkulturerbe der Menschheit“ seitens der Vereinten Nationen ist eng verbunden mit der Erwartung, das kulturelle Erbe nicht nur zu erhalten, sondern es der Allgemeinheit in ansprechender Form zu präsentieren. Hier leistet das neue Bamberger Besucherzentrum einen wichtigen Beitrag, denn damit kommt die Stadt ihrer Verpflichtung nach, ihr kulturelles Erbe und dessen breiten Facettenreichtum breiten Teilen der Bevölkerung anschaulich näher zu bringen.
Das Welterbe-Besucherzentrum gewährt in seiner kostenfreien Dauerausstellung, überblicksartig einen ersten Eindruck von der UNESCO-Welterbestätte Bamberg. Damit ersetzt es kein klassisches Museum mit einer in die Tiefe gehenden Sammlung, sondern sensibilisiert Einheimische und Besuchende für die Eigenheiten des Ortes und schärft ihr Bewusstsein für die Belange des Welterbes. Auf rund 220 Quadratmetern wird die Welterbestadt Bamberg mit ihren drei historischen Siedlungsgebieten Berg-, Insel- und Gärtnerstadt vorgestellt und in den internationalen UNESCO-Kontext eingebettet. Dabei darf ein Exkurs zum immateriellen Kulturerbe nicht fehlen, denn ohne das Wissen und Können der Menschen kann Architektur weder geschaffen noch erhalten werden. Auch auf die Staatsbibliothek wird verwiesen, wo mehrere Einträge aus dem Weltdokumentenerbe der UNESCO verwahrt sind.
Die Dauerausstellung orientiert sich an den drei Siedlungszentren, die bei der Stadtgründung im Mittelalter miteinander verbunden wurden. Auf anschauliche Weise vermittelt sie prägnante historische Sachverhalte zur Bergstadt mit ihrer Domburg, zur Inselstadt mit ihren Mühlen und zur Gärtnerstadt mit ihrem urbanen Gartenbau. Gebäudemodelle stellen Bambergs Bedeutung für den frühmittelalterlichen und barocken Städtebau dar.
Neben Hörstationen, Filmen und digitalen Anwendungen, bildet ein mit Projektionen bespieltes, interaktives Stadtmodell das inhaltliche und inszenatorische Herzstück der Ausstellung. Es präsentiert unterschiedliche Zeitschichten Bambergs. Trotz eines niederschwelligen Konzeptionsansatzes mit vielen haptischen Elementen lädt die Ausstellung zur inhaltlichen Vertiefung ein. So können Menschen aller Altersgruppen die kulturellen, historischen und geografischen Facetten der Stadt erfahren.
So erhalten Besucher beispielsweise mit dem „Bamberg-O-Mat“ entsprechend ihrer angegebenen Interessen einen individuellen Plan für Stadterkundungstouren durch die Altstadt, der obendrein noch Hinweise zu speziellen Orten gibt, an denen sich der außergewöhnliche universelle Wert Bambergs besonders deutlich zeigt – das perfekte Requisit für ausgewiesene „Perlentaucher“ und unabhängige Stadtentdecker. Mit dem „Pflanz-O-Mat“ oder dem „Barock-O-Mat“ erfahren Besucher außerdem noch Wissenswertes wie Nützliches über die besonderen Charakteristiken, die sich in einzigartiger Weise in der Bamberger Gärtnerstadt sowie auch in der barocken Bauweise zeigen. Dabei kann man z. B. Giebel, Fensterschürzen, Pilaster, Kartuschen und Voluten kombinieren um in der Altstadt stilsicher barocke Baukunst zu identifizieren. Oder man wird per Pflanz-O-Mat ab sofort selbst zum Gärtner und kann und durch die richtige Auswahl des Zeitpunkts der Aussaat, der Dichte der Pflanzen sowie der Bewässerungsmenge seine gärtnerischen Fähigkeiten ausprobieren und verbessern. Per E-Mail wird man dann drei Wochen später über die Ergebnisse seiner Entscheidungen für das virtuelle Beet informiert und es zeigt sich, ob man tatsächlich einen „grünen Daumen“ besitzt.
Desweiteren finden Besucher im Ausstellungsbereich einen Shop des Bamberger Stiftsladens vor, der ein ausgesuchtes Sortiment an Artikeln aus dem Bamberger Welterbe anbietet, wie z. B. Erzeugnisse aus der einstigen Klosterlandschaft am Michaelsberg (u. a. Frankenwein aus Bamberg, Edelbrände, Liköre) oder Produkte von Bamberger Gärtnern.
Bamberg ist nun deutschlandweit die vierte Welterbestätte mit einem Besucherzentrum, das die Leiterin des Zentrums Welterbe Bamberg, Patricia Albert, als eine Art „Lesehilfe“ für die Welterbstadt Bamberg definiert, damit Einheimische wie Gästen die Stadt besser in ihrem ureigensten Sein verstehen können und dadurch auch mehr wertschätzen. Nur so könne man demnach Menschen aktiv für einen langfristigen Erhalt historischer Architektur gewinnen.
Hintergrund zu Bau und Sterzermühle
Die Sterzermühle war seit Ende des Zweiten Weltkrieges nur noch eine Ruine inmitten Bambergs. Jahrhundertelang hatte die "Sterzermühle" in Bamberg bereits Strom erzeugt. Doch im Zweiten Weltkrieg war sie beschädigt und ihr Betrieb eingestellt worden. Durch den Neubau wird quasi ein Kriegsschaden in der Bamberger Innenstadt beseitigt. Im Sommer 2018 wurde zunächst das Wasserkraftwerk "Sterzermühle" in Betrieb genommen und versorgt mit einer im Fluss verbauten Turbine das neue Welterbe-Besucherzentrum sowie etwa 300 Haushalte mit Strom versorgen. Bauherr des zweistöckigen Bauwerks war nicht die Stadt, sondern der Münchner Investor Johannes Kraus, der an dieser Stelle auch die historisch verwurzelte Nutzung der Wasserkraft wiederaufgenommen hat. Seit Sommer 2018 generiert eine 15-Tonnen-Turbine im Untergeschoss Energie für rund 300 Haushalte.
Den Bauarbeiten waren archäologische Grabungen vorangegangen, die rund 900 Gründungspfähle alter Mühlen aus dem 11. bis 18. Jahrhundert sowie mehrere Mühlsteine zutage gebracht hatten. Die Fassadenreste der alten Sterzermühle wurden, obwohl nicht denkmalgeschützt, Stein für Stein abgetragen, gereinigt und anschließend als historische Referenz in den Neubau integriert. Da das Gebäude von der Regnitz umflossen wird, waren während der Bauarbeiten zeitweise auch Taucher und Motorboote im Einsatz.
Welterbe-Besucherzentrum – Infos & Kontakt
Öffnungszeiten: 10 bis 18 Uhr (April bis Oktober)
11 bis 16 Uhr (November bis März)
Der Eintritt ist frei. Führungen durch die Ausstellung sind buchbar
unter besucherzentrum@welterbe.bamberg.de
zum Preis von 60,- € , Schulklassen 50,- € .
Welterbe Besucherzentrum Bamberg
Untere Mühlbrücke 5
96047 Bamberg
Infothek – Tel.: +49 (0) 951 /87-1816
Sekretariat – Tel.: +49 (0) 951 /87-1811
Email: besucherzentrum@welterbe.bamberg
Internet:www.welterbe.bamberg.de
Fachkontakt
STADT BAMBERG / Zentrum Welterbe Bamberg
Patricia Alberth
Untere Mühlbrücke 5
96047 Bamberg
Tel.: 0951/87-1810
Email: patricia.alberth@stadt.bamberg.de
Internet: https://welterbe.bamberg.de/de/